Stressinkontinenz / Belastungsinkontinenz
Ursachen & Behandlungsmöglichkeiten
Einmal niesen und schon ist es passiert: Wenn bei körperlichen Anstrengungen wie Niesen, Husten oder Lachen ungewollt Urin abgeht, liegt eine Stressinkontinenz vor. Vor allem Frauen leiden unter dieser Inkontinenzform. Wir erklären die Hintergründe, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten.
Kurzübersicht
- Was ist Stressinkontinenz? Urinverlust bei körperlicher Anstrengung wie Husten, Niesen, Lachen oder beim Heben schwerer Gegenstände
- Symptome : Ungewollter Harnabgang
- Ursachen : Bindegewebsschwäche, Schwächung der Beckenbodenmuskulatur, wodurch Blase oder Gebärmutter absinken, Geburten, Raucherhusten, Übergewicht
- Präventionsmöglichkeiten : Gesunder Lebenswandel, Normalgewicht / Idealgewicht anstreben, Sport, Beckenbodentraining (Frauen)
- Untersuchungen : Anamnese, Ultraschalluntersuchung, urodynamische Untersuchung (Bestimmung der Blasenfunktion), Röntgen-Untersuchung der Harnblase, Blasenspiegelung
- Therapie : Medikamente, Pessare, Beckenbodentraining, Gewichtsreduktion, Rauchentwöhnung, Operation
- Fazit : Eine Stressinkontinenz/Belastungsinkontinenz ist gut behandelbar.
Was ist eine Stressinkontinenz? (Definition)
Der Begriff „Stressinkontinenz“ leitet sich von dem englischen Wort „stress“ ab. Übersetzt bedeutet „stress“ so viel wie „Druck“ und „Belastung“. Mit psychischem Stress hat die Bezeichnung nichts zu tun. Darum setzt sich für diese Form der Harninkontinenz die Bezeichnung „Belastungsinkontinenz“ immer mehr durch.
Überwiegend Frauen sind von dieser Art der Blasenschwäche betroffen: Bei körperlichen Anstrengungen kommt es zu einer Druckerhöhung in der Blase. Wenn sie etwas Schweres heben, lachen, springen, niesen oder husten, verlieren sie unbeabsichtigt Urin.
Auch Mischinkontinenzformen sind möglich: Ist der ungewollte Urinabging bei einer Belastung der Blase mit intensivem Harndrang verbunden? Dann liegt eine Mischung aus Stressinkontinenz beziehungsweise Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz vor.
Symptome einer Stressinkontinenz / Belastungsinkontinenz
Eine Stressinkontinenz entsteht durch eine Belastung der Blase. Experten unterscheiden bei dieser Form der Harninkontinenz drei unterschiedliche Schweregrade:
- Schweregrad 1 (stärkere körperliche Belastung): Körperliche Anstrengungen wie das Heben schwerer Gegenstände, Husten, Niesen und Lachen führen zu einem unbeabsichtigten Urinabgang.
- Schweregrad 2 (geringe körperliche Belastung): Beim Treppensteigen, Laufen, Gehen, Hinsetzen oder Aufstehen kommt es zu einem Urinverlust.
- Schweregrad 3 (keine körperliche Belastung): Auch ohne körperliche Anstrengung verlieren Betroffene Urin, zum Beispiel beim Gehen oder beim Liegen.
Ursachen einer Stressinkontinenz / Belastungsinkontinenz
Eine Stressinkontinenz beziehungsweise Belastungsinkontinenz kommt bei Frauen und Männern durch unterschiedliche Ursachen zustande.
Risikofaktoren
Zu den Risikofaktoren gehören:
- Geschlecht
- Übergewicht
- Schwache Beckenbodenmuskulatur durch Schwangerschaften, Unterleibsoperationen oder hormonelle Umstellung bedingt durch die Wechseljahre
- Rauchen / Raucherhusten
- Schädigung des Bandapparates
- Sportarten wie Gewichtheben
- Schwere körperliche Arbeit
Geschlecht
Besonders Frauen sind von dieser Art der Harninkontinenz betroffen. In Deutschland leiden rund 10 Millionen Frauen unter Inkontinenz. Bei 49 Prozent liegt eine Stressinkontinenz beziehungsweise Belastungsinkontinenz vor.
Das liegt zum einen an ihrem größeren Beckenboden. Zum anderen ist das Bindegewebe von Frauen nachgiebiger.
Übergewicht
Übergewicht ist bei Frauen ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung einer Harninkontinenz. Das ergab eine Studie der Harvard Medical School und der Harvard School of Public Health in Massachusetts:
- Bei Frauen mit einem BMI von 25-27 erhöhte sich die Gefahr, eine Blasenschwäche zu entwickeln, um 16 Prozent.
- Probandinnen mit einem BMI von über als 35 hatten ein um 125 Prozent erhöhtes Risiko für eine Stressinkontinenz beziehungsweise Belastungsinkontinenz.
- Lag der Taillenumfang bei über 95 cm, litten die Studienteilnehmerinnen häufiger unter Harninkontinenz als Frauen mit einem Taillenumfang von 74 cm.
Schwache Beckenbodenmuskulatur
Das weibliche Becken wird durch (mehrfache) Schwangerschaften, Mehrlingsgeburten, vaginale Geburten und den natürlichen Alterungsprozess während der Wechseljahre beeinträchtigt. Dazu kommen eventuell Unterleibsoperationen, Organsenkungen und/oder Organvorfälle. Bei manchen Frauen fehlt die feste Verankerung der Harnröhre. Andere verlieren die Verschlussfähigkeit.
Rauchen / Raucherhusten
Eine finnische Studie mit 2.000 Teilnehmerinnen zeigt, dass Raucherinnen dreimal häufiger mit einer Reizblase zu kämpfen haben als Nichtraucherinnen.
Grund dafür ist der Botenstoff Acetylcholin: Füllt sich die Blase, dockt dieser an den Rezeptoren der Blase an und löst Harndrang aus. Nikotin wirkt ebenfalls auf die Acetylcholin-Rezeptoren. Das führt dazu, dass Raucherinnen trotz nahezu leerer Blase das Bedürfnis haben, Wasser zu lassen.
Wer jahrelang raucht, entwickelt einen Raucherhusten. Dieser strapaziert und schwächt den Beckenbodenmuskel. Auch das kann ein Risikofaktor für eine Stressinkontinenz beziehungsweise Belastungsinkontinenz sein.
Präventionsmöglichkeiten von Stressinkontinenz / Belastungsinkontinenz
Am effektivsten ist es, möglichst viele Risikofaktoren auszuschalten. Wer gesund lebt, kein Übergewicht hat und nicht raucht und den eigenen Beckenboden trainiert, hat ein geringeres Risiko, an einer Belastungsinkontinenz zu leiden. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen.
Frauen mit Kinderwunsch
Das Beckenbodentraining ist vor, während und nach der Schwangerschaft zu empfehlen. Zum einen lockert sich die Muskulatur in der Schwangerschaft. Zum anderen drückt das Baby auf die Blase. Hebammen zeigen, wie die Übungen auszuführen sind. Nach der Geburt des Babys ist Rückbildungsgymnastik hilfreich. Dafür gibt es spezielle Kurse.
Therapie und Behandlungsmöglichkeiten der Stressinkontinenz
Die Art der Behandlung und Therapie hängt von der Ursache der Stressinkontinenz ab:
- Medikamente : Durch medikamentöse Unterstützung entspannt sich die Blase und erlaubt wieder höhere Füllstände.
- Blasentraining : Eine Verlängerung der Abstände zwischen den WC-Besuchen kräftigt die Blase.
- Pessare : Vor dem Sport lassen sich Pessare in die Scheide einsetzen.
- Abnehmen : Ist Übergewicht ein möglicher Grund für die Stressinkontinenz, hilft eine Gewichtsabnahme.
- Rauchen aufgeben: Rauchen führt häufig zu chronischem Husten. Der ständige Druck wirkt sich negativ auf den Beckenboden aus und kann zur Entwicklung einer Blasenschwäche beitragen.
- Beckenbodentraining : Regelmäßige Übungen stärken den Beckenboden. Dadurch gelingt es, den Urin besser zu halten.
- Operation : Operative Eingriffe wie eine Schlingen-OP kommen eventuell ebenfalls infrage. Dabei wird unterhalb der Harnröhre ein Band angebracht. Beim Husten, Niesen oder Lachen presst das Band die Harnröhre zusammen. Das verhindert den ungewollten Urinverlust.
Medikamente
Medikamente zeigen bei leichter Stressinkontinenz Wirkung. Bestimmte Präparate entspannen und stärken die Blasenmuskulatur. Dadurch sind wieder höhere Füllstände in der Blase möglich, bevor Harndrang entsteht. Dabei kommt beispielsweise der Botenstoff Serotonin zum Einsatz.
Blasentraining
Bei einem Blasentraining notieren die Patientinnen und Patienten zunächst in einem Tagebuch, wie viel sie trinken und wie oft sie die Toilette aufsuchen. Außerdem schätzen sie die abgesetzte Urinmenge in diesem Trink- und Toilettenprotokoll (Miktionstagebuch) ein.
Anschließend verlängern sie die Abstände zwischen den Toilettengängen. Gelingt es, das Wasserlassen um 15 Minuten aufzuschieben, wirkt sich das bereits positiv auf die Blasenmuskulatur aus.
Pessare
Tritt der ungewollte Urinverlust vor allem beim Sport auf? Pessare stützen die Harnröhre und die Blase, wenn Frauen mit Stressinkontinenz körperlich herausfordernden Aktivitäten nachgehen.
Die Patientin setzt das Pessar selbst in die Scheide ein und entfernt sie im Anschluss wieder.
Abnehmen
Crash-Diäten führen zum gefürchteten Jo-Jo-Effekt. Eine Ernährungsumstellung bringt langfristige Erfolge. Auch das Einführen neuer Gewohnheiten in den Alltag unterstützt dabei, ein gesundes Körpergewicht zu erlangen:
- Zuckerkonsum reduzieren: auf Süßigkeiten, Fastfood und gesüßte Getränke verzichten
- Viel frisches Gemüse und etwas Obst essen
- Bei Fleisch magere Sorten wie Huhn und Pute bevorzugen
- Jede Gelegenheit für Bewegung nutzen
- Nach Möglichkeit regelmäßig Sport treiben
Rauchen aufgeben
Im Alleingang gelingt es den wenigsten Menschen, von der Zigarette loszukommen: Laut Professor Stephan Mühlig, Psychologe, Suchtforscher und Leiter der Raucherambulanz an der Technischen Universität Chemnitz, schaffen das nur drei bis sechs Prozent.
Erfolgversprechender seien laut Mühlig Gruppenprogramme. In Raucherambulanzen geben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenseitig Rückhalt. Der soziale Druck helfe ebenfalls dabei, durchzuhalten.
Die Kosten dafür bewegen sich zwischen 150 und 300 Euro. Die gesetzlichen Krankenkassen unterstützen Betroffene mit 75 bis 100 Euro jährlich oder übernehmen sogar den gesamten Betrag.
Zum Lindern der schlimmsten Entzugserscheinungen gibt es Nikotinersatzprodukte wie Kaugummi, Pflaster und Tabletten.
Die Anstrengung lohnt sich: Gelingt es, das Rauchen aufzugeben, wirkt sich das positiv auf die Stressinkontinenz aus. Der Raucherhusten geht zurück. Die Durchblutung verbessert sich.
Beckenbodentraining
Regelmäßiges Beckenbodentraining trägt ebenfalls dazu bei, den ungewollten Harnabgang zu verhindern. Im Idealfall integrieren die Patientinnen diese Übungen fest in ihren Alltag. Das Beckenbodentraining stärkt die Muskulatur und sorgt für kräftige Bänder.
Bei Frauen, die ihren Beckenboden nicht fühlen und die Schwierigkeiten haben, ihn anzuspannen, bleibt die Möglichkeit einer Elektrostimulation des Beckenbodens.
Operation
Bei einer ambulant durchgeführten Operation wird ein spannungsfreies Vaginalband eingelegt. Eine niederländische Studie zeigt, dass die Patientinnen damit bessere Erfolge erzielen als mit einer Physiotherapie zum Beckenbodentraining.
Inkontinenzprodukte
Den meisten Menschen ist es peinlich, Urin zu verlieren. Ist das von außen sichtbar? Lässt sich der Uringeruch womöglich wahrnehmen? Scham führt dazu, dass Betroffene seltener das Haus verlassen.
Hier helfen Inkontinenzprodukte wie Vorlagen oder Schutzhosen als Pants und Slips. Diese tragen sich nahezu unsichtbar unter der Kleidung und bieten Schutz vor Feuchtigkeit und Geruch.
Damit ist ein selbstbestimmtes Leben weiterhin möglich, bis andere Therapie- und Behandlungsmaßnahmen gegen die Belastungsinkontinenz greifen.
Untersuchungen beim Arzt
Die erste Anlaufstelle bei Stressinkontinenz beziehungsweise Belastungsinkontinenz sind der Allgemeinmediziner (Hausarzt) oder ein Spezialist (Urologe).
Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese)
Der Arzt befragt die Patienten beziehungsweise den Patienten zunächst eingehend zu den vorliegenden Beschwerden.
Mögliche Fragen, die dabei zur Sprache kommen:
- Wie häufig suchen Sie die Toilette auf? Müssen Sie nachts Wasser lassen? Wie häufig kommt das vor?
- Wie oft verlieren Sie Urin? Handelt es sich dabei um einzelne Tropfen oder um einen Schwall? Passiert das tagsüber oder auch nachts?
- Brennt es beim Wasserlassen?
- Verwenden Sie Inkontinenzprodukte?
- Wie gehen Sie mit Ihrer Blasenschwäche im Alltag um? Fühlen Sie sich durch den Urinverlust eingeschränkt?
Körperliche Untersuchung
Die Untersuchung bezieht häufig einen Gynäkologen, Urologen oder Neurologen ein.
Urintests, Restharnbestimmung und Ultraschall
Durch Urintests lassen sich Harnwegsinfektionen ausschließen. Außerdem bestimmt der Arzt den Restharn und untersucht die Blase mithilfe des Ultraschalls.
Weitere Untersuchungen
Zusätzlich kommen bei Bedarf urodynamische Messungen, Röntgenuntersuchungen oder eine Blasenspiegelung dazu.
Fazit
Stressinkontinenz beziehungsweise Belastungsinkontinenz ist eine Form der Harninkontinenz, die überwiegend Frauen betrifft. Aus Scham vermeiden vielen den Arztbesuch. Dabei ist die Stressinkontinenz gut behandelbar. Maßnahmen wie Beckenbodentraining, Gewichtsreduktion, Medikamente oder Pessare helfen vielen Betroffenen, die Beschwerden zu lindern. Inkontinenzprodukte tragen dazu bei, den Alltag wieder freier und unbeschwerter zu gestalten.
Medizinischer Disclaimer
Die hier dargestellten Inhalte dienen lediglich der Information. Bitte wenden Sie sich bei gesundheitlichen Fragen, Problemen oder Beschwerden an Ihren Arzt!