Einen Pflegegrad beantragen

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Warum ist es sinnvoll, einen Pflegegrad zu beantragen?

Pflege, vor allem im häuslichen Umfeld, ist mitunter zeit- und kostenintensiv. Angehörige oder Freunde, die eine pflegebedürftige Person umsorgen, geraten dabei oft an Ihre Grenzen. Das ist jedoch oftmals gar nicht nötig, denn häufig haben pflegebedürftige Menschen Anspruch auf Hilfe finanzieller Art und / oder in Form von Sachleistungen und Zuschüssen. Eine große Entlastung für alle Beteiligten.

Diese Hilfen erhält man allerdings nicht einfach so, zum Beispiel, weil Sie von Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin als pflegebedürftig eingestuft werden. Nein, man muss bei der Pflegekasse, die in der Regel an Ihre Krankenkasse angegliedert ist, einen Antrag auf Zuteilung eines Pflegegrades stellen.

2. Wer kann den Antrag auf einen Pflegegrad stellen?

Den Antrag auf Bewilligung eines Pflegegrades kann nicht nur der oder die Pflegebedürftige stellen, sondern auch Verwandte, nahestehende Nachbarn oder Freunde, wenn sie eine Vollmacht dafür haben.

Pflege daheim

3. Wer hat Anspruch auf einen Pflegegrad?

Nicht jeder Mensch hat automatisch Anspruch auf einen Pflegegrad. Als pflegebedürftig gilt, wenn mindestens “eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten” vorliegt. Zum Beispiel hat man leichte Einschränkungen beim Gehen, braucht ggf. außerhalb der Wohnung einen Gehstock und schafft auch nicht mehr alle anfallenden Arbeiten in der Wohnung, beispielsweise Staubsaugen oder Fensterputzen.

Zudem müssen Sie, oder die pflegebedürftige Person, innerhalb der letzten 10 Jahre mindestens 2 Jahre in eine soziale Pflegeversicherung eingezahlt haben. Dies ist unabhängig davon, ob man gesetzlich versichert ist, verbeamtet oder privat versichert. Zudem beantragt man nicht einen konkreten Pflegegrad, wie Pflegegrad, Pflegegrad 2, Pflegegrad 3 etc., sondern zunächst einfach allgemein einen Pflegegrad.

4. Wie beantragt man einen Pflegegrad?

Einen Pflegegrad kann man über verschiedene Kanäle beantragen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die pflegebedürftige Person privat oder gesetzlich versichert ist. Die gängigsten Methoden sind:

  • telefonisch
  • per Antragsformular
  • Formlos, per Brief
  • auf einem Pflegestützpunkt in Ihrer Nähe

Doch nicht alle Antragsformen sind gleich zu behandeln. Daher möchten wir Ihnen nachfolgend einmal vorstellen, was bei den einzelnen Methoden zu beachten ist:

Der telefonische Antrag

Bei telefonischen Antrag rufen Sie zunächst bei der für Sie / die pflegebedürftige Person zuständige Pflegekasse an. Ihre Pflegeversicherung teilt Ihnen gerne mit, an wen Sie sich dort wenden müssen.

Nach dem Telefonat erhalten Sie ein Formular, welches Sie ausfüllen, unterschreiben und an die Pflegekasse zurücksenden.

Dann erst bekommen Sie Nachricht von einem Gutachter / einer Gutachterin des MD (Medizinischer Dienst) oder bei Privatversicherten von MEDICPROOF, der oder die Ihnen einen Termin für die Begutachtung mitteilt.

Der Antrag per Antragsformular

Viele Krankenkassen, aber auch Webseiten, die sich auf das Thema Pflege spezialisiert haben, bieten praktische Vordrucke für einen Antrag auf die Bewilligung eines Pflegegrades an. Diesen können Sie ganz einfach daheim ausdrucken, ausfüllen und an Ihre Pflegekasse schicken. Ist dieser dort eingegangen, erhalten Sie innerhalb von 14 Tagen einen Termin für die Begutachtung.

Der formlose Antrag per Brief

Ist Ihnen ein formloser Antrag per Brief lieber, können Sie den Pflegegrad auch so beantragen. Dabei brauchen Sie vorab noch keine Angaben zur Pflegebedürftigkeit von Ihnen selbst oder der pflegebedürftigen Person zu machen. Dies ist insofern sinnvoll, da der Gutachter oder die Gutachterin komplett unvoreingenommen zum Begutachtungstermin kommen kann.

Der persönliche Antrag in einem Pflegestützpunkt

Einen Pflegegrad zu beantragen ist für alle Beteiligten ein großer Schritt. Manch eine oder einer wünscht sich vorher kompetente Beratung, die einem vielleicht auch ein bisschen die Angst vor dem Thema nimmt. Für diese Fälle gibt es überall in Deutschland “Pflegestützpunkte”. Diese werden von den Pflegekassen betrieben und bieten Ihnen genau die Unterstützung, die bei diesem sensiblen Thema benötigt wird. Natürlich kann man dort auch gemeinsam mit den Beraterinnen und Beratern den Antrag auf einen Pflegegrad ausfüllen.

5. Das Formular von der Pflegekasse - was muss ich beachten?

Hat man den Antrag auf einen Pflegegrad ganz formlos gestellt, erhält man innerhalb von 14 Tagen Post von der Pflegekasse. Enthalten ist ein offizielles Antragsformular mit vielen Fragen, die man am besten ehrlich, ohne Unter- oder Übertreibungen zum Gesundheitszustand, beantwortet. Ist man sich unsicher, wie man die eine oder andere Frage beantworten soll, hilft entweder die Pflegekasse direkt, oder das Team eines Pflegestützpunktes in Ihrer Nähe.

Erst nachdem das ausgefüllte Antragsformular bei der Pflegekasse eingegangen ist, meldet sich ein Gutachter / eine Gutachterin, um einen Begutachtungstermin zu vereinbaren. 

6. Der Begutachtungstermin - Unsere Tipps

Hat man die Hürde “Antrag auf einen Pflegegrad” gemeistert und einen Termin zur Begutachtung erhalten, ist es wichtig, sich auf den Termin sehr gut vorzubereiten. Das bedeutet:

Genug Zeit nehmen

Legen Sie den Termin so, dass ausreichend Zeit dafür vorhanden ist und wirklich alle abzufragenden Punkte auch behandelt werden. Den gesetzlich definierten Pflegekatalog kann man problemlos im Internet finden, herunterladen und ggf. ausdrucken.

Nicht allein sein

Nehmen Sie den Termin als pflegebedürftige Person nicht alleine wahr, sondern mit dem Menschen, der Sie später auch im häuslichen Umfeld pflegt.

Nicht anfangen, bevor alle da sind

Achten Sie darauf, dass keinesfalls mit der Begutachtung begonnen wird, bevor nicht alle wichtigen Personen anwesend sind.

Alle relevanten Unterlagen parat haben

Halten Sie alle relevanten Unterlagen (Dokumente vom Arzt, aus dem Krankenhaus, von weiteren Behandlungen, etc.) bereit.

Ein Pflegetagebuch führen

Führen Sie im Vorfeld für mindestens ein Pflegetagebuch, in das zum Beispiel eingetragen wird, wie die Pflege bei Ihnen aussieht, was sie umfasst und auch wie viel Zeit für die einzelnen Pflegebereiche aufgewendet werden muss.

Ehrlichkeit

Seien Sie beim Begutachtungstermin ehrlich und beschönigen Sie Ihren oder den Zustand der pflegebedürftigen Person nicht, denn dann kann es sein, dass nicht den Pflegegrad zugesprochen wird, der Ihnen oder dem / der Pflegebedürftigen realistisch gesehen zusteht. Übertreiben Sie es aber auch nicht. Die Begutachtenden sind Profis und durchschauen vermutlich sehr schnell, wenn man versucht ihnen etwas vorzuspielen, um mehr Geld und Pflegeleistungen zu bekommen.

Das Vier-Augen Gespräch

Als pflegende Person haben Sie ein Anrecht darauf, mit dem Gutachter oder der Gutachterin auch nochmal unter vier Augen zu sprechen. Das ist besonders wichtig, wenn Sie den Eindruck haben, dass ein falscher Eindruck von der zu pflegenden Person entstanden ist.

Wichtige Punkte nicht unter den Tisch fallen lassen

Der Fragenkatalog umfasst 64 Fragen aus 6 Modulen, die später unterschiedlich gewichtet werden. Das sind viele Punkte für einen Termin, der meist höchstens 60 Minuten dauert. Umso wichtiger ist es, dass Punkte, die Ihnen oder Ihrem Pflegling besonders wichtig sind, nicht zu schnell abgehakt werden. Zum Beispiel das Thema Inkontinenz.

Achten Sie zudem darauf, dass der Gutachter oder die Gutachterin möglichst keine Suggestivfragen stellt, die Ihr Pflegling automatisch positiver beantwortet, als es tatsächlich der Fall ist.

Zum Schluss nochmal prüfen, ob alle Punkte besprochen wurden

Nehmwn Sie sich gegen Ende des Gesprächs die Zeit und überprüfen Sie nochmal, ob alle wichtigen Punkte vermerkt und besprochen wurden. Wenn nicht, scheuen Sie sich nicht, die Gutachterin oder die Gutachterin darauf anzusprechen.

7. Nach der Begutachtung

Der Antrag ist raus, die Begutachtung ist erfolgt - nun heißt es warten auf den Bescheid von der Pflegekasse. Diesen erhalten Sie in der Regel spätestens 25 Tage nach dem Begutachtungstermin. Es zählt hier der Poststempel. Kommt er später, hat die versicherte Person einen Anspruch auf 70,00€ je angefangene Woche der Verzögerung.

Dieser Anspruch verfällt, wenn der Grund für die Verzögerung bei Ihnen liegt. Auch wenn Sie bereits Pflegegrad 2 haben und vollstationär untergebracht sind, haben Sie keinen Anspruch auf die 70,00€.

8. Ablehnung des Antrags, falscher Pflegegrad bewilligt, was tun?

Nicht selten kommt es vor, dass der Antrag auf einen Pflegegrad abgelehnt wird, oder dass die Einstufung in einen zu geringen Pflegegrad erfolgt. In diesem Falle haben Antragstellende gemäß § 84 Abs.1 Satz Sozialgerichtsgesetz einen Monat Zeit, Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch muss schriftlich, per Post oder per Fax erfolgen. Eine E-Mail reicht nicht aus!

Ihr Widerspruch kann entweder direkt ausführlich, oder zunächst formlos sein. Nutzen Sie dafür unser kostenloses Formular. Für die ausführliche Begründung sollten Sie sich Zeit nehmen und warten, bis das komplette Gutachten des MD / der MEDICPROOF da ist. Wissen Sie nicht genau, wie Sie die Begründung Ihres Widerrufes mit bestmöglicher Aussicht auf Erfolg formulieren sollen, wenden Sie sich an die kostenlosen Beratungsstellen eines Pflegestützpunktes in Ihrer Nähe. Dort wird Ihnen geholfen.

Haben Sie eine private Rechtsschutzversicherung, können Sie sicherlich auch Ihren Anwalt um Rat bitten und gegebenenfalls Klage beim Sozialgericht einreichen. Vor allem, wenn der Widerspruch ebenfalls abgelehnt wird, ist das sinnvoll.

Antrag auf Pflegegrad abgelehnt - was tun?

Quellen

Über Sabrina Sommer

Sabrina Sommer ist seit 2019 Mitarbeiterin der ARDMED. Mit ihrer langjährigen Erfahrung als Krankenpflegerin unterstützt sie uns redaktionell bei der Konzipierung und Erstellung von Fachtexten jeglicher Art. Ihr Schwerpunkt liegt bei der aufsaugenden und ableitenden Inkontinenz, aber auch mit den Produkten des Medizin- und Pflegebedarfs kennt sie sich bestens aus.



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